Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
Wie steht die westfälische Wirtschaft insgesamt da? Welcher Wirtschaftszweig ist besonders wichtig? Gibt es bei der wirtschaftlichen Situation zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten Unterschiede?
Den größten Anteil zur Wertschöpfung trägt der Dienstleistungsbereich bei, 2022 waren es rund 67 Prozent. Im produzierenden Gewerbe (der Industrie) werden rund 32 Prozent der Wertschöpfung umgesetzt. Die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei hat einen Anteil von weniger als einem Prozent.
In Westfalen ist die Industrie stärker vertreten als im NRW-weiten Durchschnitt, besonders in den Kreisen im Süden und Osten. In den kreisfreien Städten ist hingegen der Dienstleistungssektor besonders wichtig für die Wertschöpfung.
Mithilfe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen soll das wirtschaftliche Geschehen abgebildet werden. Dafür werden das Bruttoinlandsprodukt und die Wertschöpfung betrachtet, sodass Unterschiede innerhalb Westfalens und zwischen den Wirtschaftszweigen aufgezeigt werden können.
Definition und Berechnung
Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu bewerten, kann das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrachtet werden. Das BIP gilt als wichtigster Indikator zur Beschreibung und Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Wohlstands.
Hier soll kurz erklärt werden, wie das BIP berechnet wird, wie die Wirtschaft in NRW und Deutschland eingeschätzt wird und wie aussagekräftig die Kennzahl ist.
Definition BIP
Das Statistische Bundesamt erklärt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) so: "Das Bruttoinlandsprodukt … ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum. Es misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das … BIP wird in jeweiligen Preisen und preisbereinigt … errechnet. … Die Veränderungsrate des ... Bruttoinlandsprodukts … dient als Messgröße für das Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaften. Das … BIP ist damit die wichtigste Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen …"
Es gibt in Deutschland zwei Methoden, um das BIP zu berechnen. "In der Entstehungsrechnung (Produktionsansatz) wird das ... BIP ermittelt, indem die Wertschöpfung aller Produzenten als Differenz zwischen dem Wert der produzierten Waren und Dienstleistungen (Produktionswert) und dem Vorleistungsverbrauch berechnet wird und dann die Gütersteuern (wie Tabak-, Mineralöl- oder Mehrwertsteuer) hinzugefügt und die Gütersubventionen abgezogen werden. ... Eine andere Möglichkeit, das ... BIP zu errechnen, setzt an der Nachfrageseite an. Im Rahmen der Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) werden die Ausgaben für die Endverwendung von Waren und Dienstleistungen ermittelt, das heißt private und staatliche Konsumausgaben, Investitionen sowie Außenbeitrag (= Exportüberschuss = Exporte minus Importe)."
Definition BWS
Zur (Brutto-)Wertschöpfung (BWS) schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung: Die BWS ist "die Summe der in einem bestimmten Zeitraum in den einzelnen Wirtschaftsbereichen der Volkswirtschaft hergestellten Güter und Leistungen. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird die Wertschöpfung als Bruttowertschöpfung aus den ... hergestellte[n] Gütermengen zu jeweiligen Marktpreisen abzüglich der Vorleistungen der einzelnen Wirtschaftsbereiche berechnet."
Deutschland und NRW
Deutschland stand im Jahr 2023 mit einem BIP von rund 4.658 Milliarden US-Dollar im internationalen Ranking auf Platz drei der weltweit größten Volkswirtschaften. Vor Deutschland liegen die USA mit einem BIP von etwa 29.185 Milliarden US-Dollar und China (BIP von knapp 18.750 Milliarden US-Dollar). Es folgen Japan, Indien, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada.
NRW erwirtschaftete im Jahr 2022 ein BIP von 793,8 Milliarden Euro, das entspricht rund einem Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung. Damit ist NRW (vor Bayern und Baden-Württemberg) das wirtschaftsstärkste Bundesland in Deutschland. Die Wirtschaftskraft von NRW ist größer als die von Staaten wie der Türkei, Saudi-Arabien, der Schweiz, Belgien oder Schweden.
Kritik am BIP
Das BIP ist zwar die bekannteste Kennzahl, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den Wohlstand eines Landes abzubilden, dennoch gibt es am Indikator auch Kritik.
So wird zum Beispiel kritisiert, dass die Folgen von wirtschaftlichem Wachstum nicht berücksichtigt werden, etwa die negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder das Klima. Zudem können negative Ereignisse das BIP positiv beeinflussen (ein Autounfall verursacht zum Beispiel Kosten für eine Autoreparatur und eine ärztliche Behandlung und treibt so das BIP in die Höhe). Arbeit, die ohne Einkommen geleistet wird, insbesondere Sorge- oder Hausarbeit, wird vom BIP nicht erfasst. Es wird zudem nicht berücksichtigt, wie der Wohlstand verteilt ist und ob etwa große soziale Ungleichheit herrscht.
Wirtschaftliche Situation
Zwischen 1991 und 2024 ist die Bruttowertschöpfung in Westfalen und NRW um fast 130 Prozent gewachsen.
In Westfalen betrug die Bruttowertschöpfung im Jahr 2024 rund 303 Mrd. Euro, das entspricht rund 42 Prozent der gesamten Wertschöpfung von NRW. Der Anteil der Wirtschaftsleistung, der in Westfalen erbracht wird, veränderte sich in den letzten drei Jahrzehnten kaum.
Während die gesamte Wertschöpfung zwischen 1991 und 2024 insgesamt um fast 130 Prozent größer wurde, wuchs das BIP pro erwerbstätiger Person in NRW um rund 87 Prozent.
2022 lag das BIP je erwerbstätiger Person im deutschlandweiten Durchschnitt bei 85.000 Euro, in Westfalen bei durchschnittlich 76.300 Euro pro Person. Nur im Kreis Minden-Lübbecke lag das BIP pro Person über dem deutschlandweiten Durchschnitt; in Münster, Gelsenkirchen, Dortmund, Bochum und Hagen sowie in den Kreisen Gütersloh, Minden-Lübbecke, Soest, Olpe, Unna und Siegen-Wittgenstein lag es über dem westfälischen Durchschnitt.
Das niedrigste BIP pro Person wies Bottrop auf, das höchste verzeichnete der Kreis Minden-Lübbecke.
Je dunkler die Einfärbung, desto höher ist das BIP je erwerbstätiger Person in den Kreisen und kreisfreien Städten. Der Indikator gilt als ein Maß für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Einkommen der Haushalte
Wie viel Geld können private Haushalte für Konsum, zum Sparen oder Investieren verwenden?
Im Jahr 2022 standen den Einwohnerinnen und Einwohnern Westfalens (nach Abzug der Steuern und Sozialbeiträge) durchschnittlich 24.917 Euro zur Verfügung, NRW-weit waren es rund 200 Euro mehr.
Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte ist regional unterschiedlich in Westfalen verteilt: Am meisten Einkommen haben Menschen im Kreis Olpe zur Verfügung, es folgen der Kreis Gütersloh und der Kreis Coesfeld.
Niedrige Haushaltseinkommen im Ruhrgebiet
Die Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen in NRW gehören im Jahr 2022 (mit einer Ausnahme) alle zum Ruhrgebiet. Außer im Ennepe-Ruhr-Kreis liegt das verfügbare Haushaltseinkommen der Kreise und kreisfreien Städte dort jeweils unterhalb des westfälischen Durchschnitts. Dies trifft in den anderen Teilregionen Westfalens nur auf Bielefeld zu.
Die Spanne zwischen dem höchsten und niedrigsten Einkommen ist groß: Während Haushalten im Kreis Olpe im Jahr 2022 pro Person 29.108 Euro zur Verfügung standen, waren es in Gelsenkirchen lediglich 18.522 Euro. Damit verfügten die Menschen in Gelsenkirchen über weniger als zwei Drittel des Einkommens der Menschen im Kreis Olpe.
Steigende Löhne
Wie viel Geld die Haushalte zur Verfügung stehen haben, hängt insbesondere vom Gehalt der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab. Im Vergleich zum Jahr 2000 lagen die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer:innen 2022 rund 47 Prozent höher. Die im Durchschnitt höchsten Gehälter wurden im Regierungsbezirk Arnsberg gezahlt.
Seit 2020 stiegen die Löhne weiter, zunächst allerdings nicht so deutlich wie die Verbraucherpreise. Seit dem zweiten Quartal 2023 erhöhen sich die Reallöhne jedoch: Im ersten Quartal 2024 lagen sie rund 3 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums. In Phasen, in denen die Preissteigerungen den Gehaltszuwachs der Arbeitnehmer:innen übersteigen, sind Haushalte mit einem niedrigen Einkommen überdurchschnittlich stark betroffen.
Wertschöpfung in verschiedenen Wirtschaftszweigen
Der größte Teil der Wertschöpfung wird im Dienstleistungssektor erwirtschaftet, es folgt das produzierende Gewerbe. Die Landwirtschaft macht mittlerweile nicht einmal ein Prozent der gesamten Wertschöpfung aus.
Der wichtigste Wirtschaftszweig ist der Dienstleistungsbereich: 67 Prozent der gesamten Wertschöpfung werden im dritten Sektor erwirtschaftet. An zweiter Stelle steht die Industrie, die rund 32 Prozent der Wertschöpfung einbringt. Die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei erwirtschaften westfalenweit fast ein Prozent der gesamten Wertschöpfung.
Dienstleistungssektor
In nahezu allen Kreisen und kreisfreien Städten Westfalens wird der Großteil der Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich erwirtschaftet. In Münster, Dortmund, Bielefeld und Bochum machen im Jahr 2022 Dienstleistungen sogar zwischen 75 und 90 Prozent der gesamten Wertschöpfung aus – in den kreisfreien Städten ist der Dienstleistungssektor also besonders wichtig.
Je dunkler die Einfärbung der Kreise und kreisfreien Städte, desto höher ist der Anteil, den Dienstleistungen zur Wertschöpfung beitragen.
Produzierendes Gewerbe
In Westfalen, insbesondere im Süden und Osten, hat das produzierende Gewerbe eine hohe Bedeutung. Rund 32 Prozent der gesamten Wertschöpfung Westfalens werden im produzierenden Gewerbe erwirtschaftet, in NRW sind es insgesamt etwa 27 Prozent.
Im Ruhrgebiet, das lange als "industrielles Herz" Europas galt, wurde 2019 nur knapp ein Viertel der Wertschöpfung (und damit weniger als im NRW-weiten Durchschnitt) im zweiten Sektor umgesetzt. Die industrielle Kernregion NRWs liegt also nicht länger im Ruhrgebiet, sondern eher in Süd- oder Ostwestfalen. Ganz besonders gilt das für den Kreis Olpe: Der Kreis Olpe ist der einzige Kreis in NRW, in dem mehr als die Hälfte der gesamten Wertschöpfung in Industriebetrieben erwirtschaftet wird.
Im Kreis Olpe wird NRW-weit am meisten Wertschöpfung pro Person (im Jahr 2022 rund 24.000 Euro) im produzierenden Gewerbe erwirtschaftet. Es folgen der ebenfalls westfälische Kreis Gütersloh (knapp 21.700 Euro) und Leverkusen (Rheinland, rund 20.200 Euro).
In den dunkel eingefärbten Kreisen und kreisfreien Städten ist der Anteil des produzierenden Gewerbes an der Wertschöpfung besonders hoch.
Weitere Informationen
Die Geographische Kommission für Westfalen hat in einem Artikel das Lohn- und Gehaltsniveau in Westfalen beschrieben und einige Entwicklungen erläutert.
Der statistische Landesbetrieb IT.NRW hat dargestellt, wie und in welchem Umfang Haushalte mit unterschiedlichen Einkommen 2021 von den Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie betroffen waren.
IT.NRW und das NRW-Ministerium für Gleichstellung wollen mit dem Lohnatlas NRW Transparenz bezüglich der Bezahlung von Männern und Frauen schaffen, indem dort Lohn(un)gleichheiten zwischen den Geschlechtern aufgezeigt werden.