Wirtschaftsstruktur
In Nordrhein-Westfalen prägen insbesondere mittelständische Unternehmen und die Industrie das wirtschaftliche Geschehen, vor allem in Westfalen ist das produzierende Gewerbe stark vertreten.
Dieser Artikel beschreibt die Struktur der westfälischen Wirtschaft anhand der Betriebe und der Beschäftigten in den unterschiedlichen Branchen.
Zum westfälischen Arbeitsmarkt gibt es einen eigenen Artikel.
Innerhalb Westfalens ist die Wirtschaftsstruktur nicht überall gleich. Während in den Kreisen im Süden und Osten zahlreiche Industriebetriebe angesiedelt sind, arbeiten in den kreisfreien Städten besonders viele Menschen im Dienstleistungsbereich.
Die Struktur der Wirtschaft kann sich im Verlauf der Zeit verändern. Im Ruhrgebiet, das lange Zeit als industrieller Kern von NRW galt, sind heute zum Beispiel viele Menschen im Gesundheits- und Sozialwesen tätig.
Klassifikation verschiedener Wirtschaftsbereiche
Um die Wirtschaft zu beschreiben, können die Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen verschiedenen Sektoren oder Branchen zugeordnet werden.
Die drei Wirtschaftssektoren sind die Landwirtschaft (erster Sektor), die Industrie (zweiter S.) und der Dienstleistungssektor (dritter S.). Die Bedeutung der drei Sektoren verändert sich im Zeitverlauf: Volkswirtschaften sind zunächst eher landwirtschaftlich geprägt, später durch Industriebetriebe und schließlich von Unternehmen und Beschäftigten im Dienstleistungsbereich.
Die Sektoren können in unterschiedliche Wirtschaftszweige (Branchen) gegliedert werden. Einige der für Westfalen besonders wichtigen oder verbreiteten Wirtschaftszweige werden im Folgenden kurz erläutert. Die Erklärungen beruhen auf Angaben des Statistischen Bundesamts.
- Verarbeitendes Gewerbe: Das verarbeitende Gewerbe umfasst die Produktion von Gütern, also die Umwandlung von Roh- und Grundstoffen in Waren. Gemeint sind sowohl Waren, die für Verbrauch und Gebrauch bestimmt sind, als auch Waren, die für weitere Produktionsschritte benötigt werden.
- Baugewerbe: Dazu gehören Hoch- und Tiefbautätigkeiten, etwa Neubau, Instandsetzung und Renovierung, An- oder Umbau und die Errichtung provisorischer oder vorgefertigter Bauten.
- Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz: Dieser Bereich umfasst den Groß- und Einzelhandel sowie die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (Kfz).
- Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen: Die in diesem Bereich erbrachten Dienstleistungen erfordern eine langjährige Ausbildung, die Nutzenden profitieren hier vor allem von Fachkenntnissen der Dienstleister:innen; dazu gehören etwa Rechts- und Steuerberatungen, Wirtschaftsprüfungen, Architektur- und Ingenieurbüros oder Werbeagenturen.
- Gesundheits- und Sozialwesen: Zu diesem Bereich gehören zum Beispiel Krankenhäuser und Hochschulkliniken, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Pflegeheime.
- Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen: Gemeint sind Tätigkeiten, deren Hauptzweck nicht in der Nutzung oder Weitergabe von Fachwissen besteht, zum Beispiel Reisebüros, Reinigungs- oder Sicherheitsdienste sowie Agenturen zur Vermittlung von Arbeitskräften oder der Vermietung von Kfz.
- Erbringung sonstiger Dienstleistungen: Darunter fallen unter anderem Tätigkeiten von Interessenvertretungen sowie die Reparatur von Gebrauchsgütern; auch Wäschereien, Bestattungsunternehmen oder Friseursalons werden zu den sonstigen Dienstleistungen gezählt.
Eine detaillierte Übersicht zu allen Wirtschaftszweigen mit Erläuterungen bietet das Statistische Bundesamt.
Betriebe und Beschäftigte
Im Jahr 2020 gab es in Westfalen genau 323.555 Betriebe und 3.456.073 Beschäftigte.
Rund 43 Prozent aller Betriebe NRWs sind in Westfalen angesiedelt, von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten etwa 45 Prozent in einer westfälischen Kommune.
Viele Handelsbetriebe und viele Industriebeschäftigte
Die meisten Betriebe, nämlich mehr als 67.000, gehören zum Wirtschaftszweig Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz. Rund jeder fünfte Betrieb Westfalens lässt sich diesem Wirtschaftszweig zuordnen. In etwa 41.000 Betrieben werden sonstige wirtschaftliche Leistungen erbracht, nahezu 32.000 Betriebe gehören zum Gesundheits- und Sozialwesen.
Die meisten Betriebe werden dem Handel zugeordnet, von den Beschäftigten arbeiten die meisten in der Industrie: Fast 800.000 Menschen und damit nahezu jede:r vierte Beschäftigte ist in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes tätig. Im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten knapp 615.000 Menschen (etwa 18 Prozent aller Beschäftigten), rund 16 Prozent arbeiten im Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz.
Bei der Aufteilung der Beschäftigten nach Branchen wird keine Angabe über die Art der Arbeit gemacht: Die Juristin in einem Industrieunternehmen wird als Beschäftigte des verarbeitenden Gewerbes gezählt, der Angestellte einer Krankenhausküche wird dem Gesundheits- und Sozialwesen zugeordnet.
Innerhalb einer Branche kann es also zwischen der Zahl der Betriebe und der Zahl der Beschäftigten teilweise deutliche Unterschiede geben: Zum verarbeitenden Gewerbe gehören nur sieben Prozent aller Betriebe, aber 23 Prozent aller Beschäftigten – in den einzelnen Betrieben arbeiten also viele Menschen. Ähnliches gilt für Betriebe aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, wo zum Beispiel Krankenhäuser große Arbeitgeber sind. Genau anders herum ist es unter anderem im Grundstücks- und Wohnungswesen oder bei der Erbringung freiberuflicher, wissenschaftlicher und technischer Dienstleistungen. Dort gibt es vergleichsweise viele Betriebe, aber weniger Beschäftigte: In einer Kanzlei, einem Immobilien- oder Architekturbüro arbeiten oftmals eher wenige Angestellte.
2021 waren in Westfalen pro Betrieb durchschnittlich rund 10 Beschäftigte angestellt. Die größten Betriebe waren in Münster und den Kreisen Olpe, Minden-Lübbecke und Gütersloh angesiedelt, dort waren mehr als zwölf Beschäftigte tätig.
Einige Branchen sind in Westfalen kaum vertreten; so gibt es zum Beispiel lediglich 161 Bergbau-Betriebe, in denen nicht einmal 2.100 Beschäftigte arbeiten.
Wirtschaftsstruktur und Strukturwandel
Das Ruhrgebiet wurde lange Zeit vor allem durch den Kohleabbau und die Stahlindustrie geprägt. Heute sind die meisten Menschen im Dienstleistungsbereich tätig, das Gesundheitswesen wurde zum Beispiel zu einem der größten Arbeitgeber und einer der umsatzstärksten Branchen.
Das Ruhrgebiet war lange Zeit durch die Montan- und Schwerindustrie geprägt. Mittlerweile wird das wirtschaftliche Geschehen vor allem vom Dienstleistungssektor bestimmt, in dem heute der größte Teil der Beschäftigten arbeitet. Gänzlich abgeschlossen ist der Strukturwandel nicht, zum Beispiel ist die Arbeitslosigkeit weiterhin überdurchschnittlich hoch und die finanzielle Situation vieler Kommunen angespannt.
Anfänge des Ruhrgebiets
Das Ruhrgebiet war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eher dünn besiedelt, in den beiden größten Städten lebten jeweils rund 5.000 Menschen. Es wurde vor allem Landwirtschaft betrieben. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts und dem Einsetzen der Industrialisierung gewann Kohle als Energieträger an Bedeutung. Die Kohlevorkommen im Ruhrgebiet stellten den Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung dar.
Die geförderte Kohlemenge wurde in den Folgejahren stetig größer und auch die Zahl der Beschäftigten im Bergbau stieg an. Um Arbeitskräfte zu gewinnen, wurden gezielt Menschen aus anderen Teilen Deutschlands oder Europas angeworben, sodass aus Dörfern binnen weniger Jahrzehnten Großstädte wurden.
Krise im Montansektor
Während der beiden Weltkriege und für den Wiederaufbau war die Montanindustrie im Ruhrgebiet von großer Bedeutung. Während des "Wirtschaftswunders" erlebte das Ruhrgebiet eine weitere Blütezeit.
Ab den 1950er-Jahren verlor die Kohle als Energieträger jedoch zunehmend an Bedeutung, weil vermehrt Erdöl eingesetzt wurde. Zudem wurde die Förderung im Ruhrgebiet unrentabel. Beide Entwicklungen lösten die Kohlekrise aus.
Auch in der Eisen- und Stahlindustrie bahnte sich eine Krise ein, weil Stahl- und Eisenerzeugnisse immer häufiger aus dem Ausland gekauft wurden und Stahl als Werkstoff, zum Beispiel in der Autoindustrie, öfter ersetzt wurde.
Strukturwandel und Wirtschaft heute
Mit dem Niedergang der Montanindustrie setzte im Ruhrgebiet ein Strukturwandel ein, der bis heute andauert.
In der Wirtschaft, die zuvor auf Industrie und Bergbau ausgerichtet war, gewannen Dienstleistungen an Bedeutung: Ein Großteil der Arbeitskräfte ist heute im Dienstleistungsbereich tätig, Schwerpunkte sind zum Beispiel die Gesundheits- und Kreativwirtschaft, die Logistik- und Technologiebranche. Auch wenn die Industrie heute in anderen Teilen Westfalens stärker vertreten ist, sind im Ruhrgebiet weiterhin Betriebe des produzierenden Gewerbes angesiedelt. Diese streben eine Umgestaltung hin zu einer ressourcen- und klimaschonenderen Industrie an.
Mittlerweile ist das Ruhrgebiet mit seinen insgesamt 53 Städten eine der größten Metropolregionen Europas und verfügt über eine dichte Hochschullandschaft, viele Forschungseinrichtungen und zahlreiche Studierende, die oftmals als Fachkräfte in der Region bleiben. Viele Menschen können schnell eine Grünfläche erreichen.
Gleichzeitig steht das Ruhrgebiet vor großen Herausforderungen, etwa einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit und Armutsquote. Die wirtschaftliche Situation vieler Städte ist angespannt und die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen sind meist begrenzt.
In den kommenden Jahren wird sich das Ruhrgebiet weiterentwickeln, wobei günstige Mieten und vergleichsweise niedrige Grundstückspreise, die Nähe zu Hochschulen, ein dichtes Netz von Fachkräften sowie ein vielseitiges Kulturangebot einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichen könnten.
Weitere Informationen
Zur Struktur der Wirtschaft gibt es zahlreiche weitere Informationen, beispielhaft werden hier einige genannt.
Ein Autorenteam hat sich am Beispiel Westfalens angeschaut, welche Rolle Vernetzung bei der Entwicklung von Innovationen spielt. Es geht insbesondere um die Zukunftsfähigkeit der überwiegend mittelständischen Wirtschaft im Münsterland, in Südwestfalen und OWL.
Zum Strukturwandel im Ruhrgebiet geben unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der klett-Verlag einen Überblick.