Gleichwertigkeitsbericht: Befragungsergebnisse für Westfalen
Die Bundesregierung hat im Juli 2024 den ersten Gleichwertigkeitsbericht vorgestellt. Der federführend vom Bundeswirtschafts- und -innenministerium erstellte Bericht zeigt auf, welche Lebensbedingungen in den Kreisen und kreisfreien Städten bestehen und welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Der Bericht trägt den Titel „Für starke und lebenswerte Regionen in Deutschland“.
Die Bundesregierung untersucht im Bericht anhand von insgesamt rund 40 statistischer Indikatoren wie zum Beispiel dem erwirtschafteten BIP pro Person, der Arbeitslosenquote, der Zahl der Geburten, der Feinstaubbelastung oder der Entfernung zum nächstgelegenen Supermarkt die Lebensverhältnisse in Deutschland. Darüber hinaus wurden zahlreiche Menschen nach ihren persönlichen Einschätzungen und Wahrnehmungen zu den Lebensbedingungen ihrer Heimat befragt. Im letzten Teil des Berichts ist dargestellt, welche Bundesmaßnahmen zur Stärkung der gleichwertigen Lebensverhältnisse beitragen sollen, ein Fokus liegt auf der Mittelverteilung und den Effekten des „Gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen“ (GFS). An zahlreichen Stellen im Bericht wird eine Einteilung zwischen Förder- und Nicht-Fördergebieten der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) vorgenommen. Die GRW ist ein zentraler Bestandteil des GFS.
Das Bundeswirtschaftsministerium kommt im Bericht zu dem Schluss, dass sich die Stadt- und Landkreise in Deutschland zum Teil stark voneinander unterscheiden. Insbesondere strukturschwache Regionen stehen weiterhin vor Herausforderungen, da dort zum Beispiel eine sinkende Bevölkerungszahl prognostiziert wird, was wiederum die Zahl der Fachkräfte sinken lässt, wodurch sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern könnte, was die kommunalen Haushalte weiter belasten würde. Gleichzeitig werde deutlich, dass die Unterschiede in den vergangenen Jahren bei den meisten Indikatoren abgenommen haben.
Der Bericht ist über die Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) als barrierefreies PDF abrufbar.
Hintergrund: Gleichwertige Lebensverhältnisse
Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt: „Die Bundesrepublik Deutschland steht für eine große regionale Vielfalt, die sich über die letzten Jahrzehnte als Triebfeder des – nicht nur wirtschaftlichen – Erfolgs des Landes erwiesen hat. Gleichzeitig führt diese Vielfalt dazu, dass die Regionen sich stark darin unterscheiden, welche Optionen sie haben und wie gut sie Chancen nutzen, um mit den Anforderungen und Herausforderungen der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft umzugehen. Dies kann sich wiederum erheblich auf die Entwicklung der bereits bestehenden regionalen Unterschiede auswirken, etwa hinsichtlich der Wirtschaftskraft, der Beschäftigungs- und Einkommenssituation oder auch der Bevölkerungsentwicklung und der Lebensbedingungen vor Ort.“ Die Bundesregierung versteht unter „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ insbesondere
- wirtschaftliche Kohäsion,
- gesellschaftlichen Zusammenhalt und Teilhabe,
- Zugang zu Infrastruktur und Daseinsvorsorge und
- Schaffung der ökologischen Rahmenbedingungen für ein gutes Leben und Wirtschaften in Deutschland.
„Gleichwertig“ ist also kein Synonym für „gleich“. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bedeutet vielmehr, dass Chancengleichheit hergestellt wird. Dies soll durch eine gerechte Verteilung von Ressourcen geschehen.
Bevölkerungsbefragung
Nicht immer sind statistischer Wert und Alltagserleben der Menschen vor Ort zwingend deckungsgleich. Deswegen wurden deutschlandweit insgesamt rund 32.000 Menschen über 18 Jahren befragt – aus jedem Landkreis mindestens 70. Die von der Bundesregierung beauftragte repräsentative Befragung wurde im Herbst 2023 durchgeführt.
Ziel der Befragung war, die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger abzubilden und gleichzeitig bestehende Datenlücken zu schließen. Die Ergebnisse liegen auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte vor. Die Auswertung der Befragung konzentriert sich auf den deutschlandweiten Durchschnitt (Median) und zeigt davon ausgehend, wo die Befragten öfter oder seltener eine bestimmte Antwort geben.
In Bezug auf einzelne Aspekte der Lebensbedingungen und auch bei den Zukunftserwartungen zeigen die Umfrageergebnisse deutschlandweit einige Unterschiede. Beispielsweise sind die Menschen in ländlichen Regionen weniger zufrieden mit den beruflichen Perspektiven, die sich vor Ort bieten. Dafür wird der soziale Zusammenhalt in der Nachbarschaft positiv bewertet. In Großstädten wiederum die medizinische Versorgung genauso wie der öffentliche Nahverkehr und das Angebot der Freizeitgestaltung positiver eingeschätzt.
Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung bestätigen, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gerne in ihrer Region lebt und mit ihrer Lebenssituation zufrieden ist. Dabei konnte ein Zusammenhang zwischen dem Alter und dem Haushaltseinkommen der Befragten und der Lebenszufriedenheit nachgewiesen werden. Gleichzeitig gibt es jedoch in manchen Lebensbereichen und vor allem auch bei den Erwartungen für die zukünftigen Aussichten zum Teil erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zwischen den unterschiedlichen Regionen. Der Anteil an Teilnehmenden, die überdurchschnittlich zufrieden sind mit ihrer Lebenssituation, ist in städtisch geprägten Regionen am höchsten – höher als in dünn besiedelten Regionen und in Großstädten. Tendenziell scheint also der Mittelweg zwischen Stadt und Land besonders zufrieden zu machen.
Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung für Westfalen
Wie schätzen die Menschen in den westfälischen Kreisen und kreisfreien Städten die Situation in ihrer Region ein?
Wie lebt es sich in der Region insgesamt?
Zufriedenheit mit beruflicher Perspektive
Allgemeine wirtschaftliche Situation
Zustand von Umwelt und Natur
Attraktivität der ÖPNV-Verbindungen
Ausreichend Schulen in der Nähe
Bildung und Betreuung für Kleinkinder
Angebote zur Freizeitgestaltung
Fachärztliche Versorgung
Versorgung mit Krankenhäusern
Zusammenfassende Clusteranalyse
Auf der Grundlage der Indikatoren und Befragungsergebnisse wurde im Gleichwertigkeitsbericht eine Clusteranalyse durchgeführt. Dabei wurden Regionen (Kreise / kreisfreie Städte) mit vergleichbaren Lebensbedingungen und ähnlichen strukturellen Merkmalen bei den Dimensionen „Wirtschaft“, „Gesellschaft“, „Infrastruktur und Daseinsvorsorge“ sowie „Klima und Umwelt“ in elf Cluster eingeteilt.
Die Einteilung der westfälischen Kreise in die Cluster fasst einige der bekannten regionalen Unterschiede zusammen: Im Münsterland wächst vielerorts die Bevölkerung, während sie in der Mehrzahl der südwestfälischen Kreise eher schrumpft und älter wird; OWL zeichnet sich durch eine gute wirtschaftliche und soziale Lage aus. Viele Ruhrgebietsstädte haben hingegen soziale Herausforderungen zu bewältigen; Ausnahmen sind Dortmund und Bochum, in denen, ebenso wie in Bielefeld, die wirtschaftliche Stärke das Bild dominiert.
Cluster 1: Städte mit starker Wirtschaftskraft
Dem ersten Cluster, Städte mit starker Wirtschaftskraft, werden die folgenden westfälischen Städte zugeordnet:
- Bielefeld, kreisfreie Stadt
- Bochum, kreisfreie Stadt
- Dortmund, kreisfreie Stadt
Cluster 2: Städtische Regionen mit sozialen Herausforderungen
Cluster 2, Städtische Regionen mit sozialen Herausforderungen, werden die folgenden westfälischen Städte und Kreise zugeordnet:
- Bottrop, kreisfreie Stadt
- Gelsenkirchen, kreisfreie Stadt
- Hagen, kreisfreie Stadt
- Hamm, kreisfreie Stadt
- Herne, kreisfreie Stadt
- Recklinghausen, Kreis
- Unna, Kreis
Cluster 3: Ländlicher Raum mit solider Wirtschaft und dynamischer Bevölkerungsentwicklung
Cluster 3, Ländlicher Raum mit solider Wirtschaft und dynamischer Bevölkerungsentwicklung, werden die folgenden westfälischen Kreise zugeordnet:
- Borken, Kreis
- Coesfeld, Kreis
- Steinfurt, Kreis
Cluster 4: Wachsende und wirtschaftsstarke Großstädte
Cluster 4, Wachsende und wirtschaftsstarke Großstädte, wird die folgende westfälische Stadt zugeordnet:
- Münster, kreisfreie Stadt
Cluster 6: Ländliche Regionen mit demografischen Herausforderungen
Cluster 6, Ländliche Regionen mit demografischen Herausforderungen, werden die folgenden westfälischen Kreise zugeordnet:
- Hochsauerlandkreis
- Höxter, Kreis
- Märkischer Kreis
- Olpe, Kreis
- Siegen, Kreis
Cluster 7: Regionen mit guter wirtschaftlicher und sozialer Lage im Ballungsraum großer Städte
Cluster 7, Regionen mit guter wirtschaftlicher und sozialer Lage im Ballungsraum großer Städte, werden die folgenden westfälischen Kreise zugeordnet:
- Ennepe-Ruhr-Kreis
- Gütersloh, Kreis
- Herford, Kreis
- Lippe, Kreis
- Minden-Lübbecke, Kreis
- Paderborn, Kreis
- Soest, Kreis
- Warendorf, Kreis
Weitere Cluster
Den Clustern „Ländliche Regionen mit guter sozialer und wirtschaftlicher Lage“, „Regionen mit sehr guter wirtschaftlicher Lage im Ballungsraum großer Städte“, „Städte mit wirtschaftlicher Dynamik“, „Ländliche Regionen mit strukturellen Herausforderungen und wirtschaftlicher Dynamik“ und „Ländliche Regionen mit demografischen Herausforderungen und positiver wirtschaftlicher Entwicklung“ wurde in Westfalen keine Region zugeordnet.